Ein kritischer Blick auf die Karte machte deutlich, dass wir trotz des Zeitraums von drei Wochen mit Marc und Linda „nur“ den Süden von Peru gesehen hatten. Bis auf Ecuador waren alle bisher besuchten Länder größer als gedacht, wobei die Anden sicherlich eine Rolle dabei spielen, denn durch die teilweise riesigen Höhenunterschiede kann eine 200 km Reise durchaus einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. Die Hauptstraßen in Peru sind zum überwiegenden Teil vergleichbar mit deutschen Landstraßen, eine weitere Verbesserung zu Ecuador. Nervig sind allerdings die in der Nähe von jeder Siedlung vorhandenen Geschwindigkeits-Huckel. Entweder wurden früher täglich mehrere Kinder überfahren oder es gab einen Zuschuss für die Gemeinde, wenn diese verbaut wurden, denn sonst fällt mir keine sinnvolle Erklärung ein, warum diese alle 50 Meter in jedem Dorf sein sollten …
Trotz der guten Straßenqualität in Peru herrscht in allen größeren Städten absolutes Verkehrschaos. Im Gegensatz zu dem öffentlichen Verkehr, der aus chronisch überladenen Bussen und den Colectivos genannten Minivans besteht, sind, wie bei uns, die meisten privaten Autos nur mit dem Fahrer unterwegs. Eine rote Ampel bedeutet, je nach Uhrzeit, anhalten, meistens aber entweder eher langsamer als mit voller Geschwindigkeit in die Kreuzung fahren oder nach mehrmaligem Hupen mit Vollgas durch 🙂 Wir haben, vermutlich dank der insgesamt langsameren Geschwindkeit, allerdings keinen einzigen Unfall gesehen.
Zurück zum Thema: Lima füllte sich zunehmend mit argentinischen und brasilianischen Fußballfans, da das Endspiel des Copa Libertadores, dem südamerikanischen Äquivalent zum Champions League Finale, wegen der Unruhen von Santiago de Chile nach hier verlegt worden war. Wir mussten also dringend weg. Auf unserer Liste der potenziell zu tun oder sehenden Dinge in Peru standen noch diverse Ruinen im Norden, mehrere Strandorte mit der Möglichkeit, die besten Wellen der Welt zu reiten – der Lonely Planet ist nicht gerade sparsam mit Superlativen – und die Cordillera blanca (= weiß). Die heißt im Gegensatz zu der weiter westlich gelegenen Gebirgskette der Cordillera negra (= schwarz) so, weil sie höher und meist schneebedeckt ist. Da mein Gebirgsbedarf nur unzureichend gedeckt – und es das nächstgelegene Ziel war –, fiel die Wahl auf die Kordilleren und wir begaben uns mit dem Nachtbus in die Hauptstadt der Region, Huaraz. In dem verschlafenen Örtchen, das aufgrund der Lage in einem Hochtal als Trekking-Hauptstadt Perus gilt, war es im Vergleich zu Lima wieder angenehm ruhig und wir Touristen wieder in der Minderheit.
Den ersten Tag verbrachten wir unter dem Vorwand der Akklimatisation (wir waren nach drei Tagen in Lima an der Küste wieder auf 3000 m) in verschiedenen Cafés und Restaurants mit der Planung der nächsten Tage. Helenas Motivation bezüglich einer mehrtägigen Tour hielt sich in Grenzen und im Angesicht von Patagonien als nächstem Ziel konnte ich das verkraften. Wir entschieden uns also für eine Reihe von Tagesausflügen zu den beliebten und zu Hauf in den Bergen vorhandenen, türkisblauen Lagunen.
Diese liegen alle so weit von Huaraz und den anderen Dörfchen im Hochtal entfernt, dass man zunächst einen Teil der Strecke fahren muss. Ärgerlicherweise gibt es bei vielen Lagunen lediglich touristische Touren als Anreisemöglichkeit, öffentlicher Transport ist – mutmaßlich aufgrund der spärlichen Nachfrage – nur vereinzelt vorhanden und meist mit Umsteigen verbunden. Nichtsdestotrotz wollten wir Misanthropen es natürlich unabhängig machen, was uns zum Großteil auch gelungen ist.
Glücklicherweise für den Haussegen stieg die Sehenswürdigkeit der besuchten Lagunen parallel mit der von uns gewählten Reihenfolge. Wettertechnisch hätte noch mehr gehen können, denn die Berggipfel waren fast immer in den Wolken, aber immerhin wurden wir nicht nass.
Nach drei Wander- und drei Gammeltagen ging es schließlich mit dem Nachtbus zurück ins Hipster-Viertel von Lima, Barranco, wo wir etwas wehmütig unsere letzte Nacht und unseren letzten Pisco Sour in Peru genossen.