Carretera Austral die Zweite

Tag 22 & 23 – 12. / 13.01.

Ab jetzt war das Wetter (meist) auf unserer Seite und zusätzlich wurde es insgesamt wärmer, je weiter wir nach Norden kamen. In gemächlichem Tempo erreichten wir den Parque Nacional Queulat, dessen Hauptsehenswürdigkeit ein hängender Gletscher ist. So werden Gletscher genannt, die nicht wie eine Wurst im Flachen auslaufen, sondern an einer Kante enden und dementsprechend spektakuläre Abbrüche und Lawinen haben können. Schwerpunkt lag bei uns auf können, denn die einzige Bewegung, die wir sehen konnten, waren Wasserfälle aus Schmelzwasser. Der Weg zu dem Gletscher sollte laut diverser Blogs ab dem späten Vormittag sehr überlaufen sein, daher starteten wir morgens. Auf dem Hinweg waren nur diverse deutsche Rentnergruppen zu überholen, auf dem Rückweg fühlte es sich an wie zu Hochzeiten im Torres del Paine.

Zum Mittag gönnten wir uns fish & chips in dem von deutschen Auswanderern gegründeten Dörfchen mit dem hübschen Namen Puyuhuapi. Das besteht aus ein paar verträumten Häuschen um die Hauptstraße, die Avenida Otto Uebel, und liegt traumhaft am Ufer eines Fjords.

Tag 24 & 25 – 14. / 15.01.

Auf die Empfehlung eines amerikanischen Pärchens (die uns angesprochen hatten, weil sie gesehen hatten, wie Helena beim Einparken ohne Servolenkung kurbeln musste) entschlossen wir uns, einen Abstecher in das Rafting- und Kajak-Mekka Futaleufú am gleichnamigen Fluss zu machen. Die Fahrt dorthin war meist im strahlenden Sonnenschein, den wir neben zahlreichen Kaffeepausen für mehrere Bäder in den (eiskalten) Flüssen nutzten.

Wegen der vielen Regenfälle in den letzten Tagen dort konnten wir nicht direkt am nächsten Tag raften, denn die Stromschnellen sind schon im Normalzustand des Flusses teilweise Klasse V (es gibt Klasse I – VI, haben wir uns sagen lassen). Wir überbrückten die Zeit mit einem Spaziergang im um die Ecke gelegenen Nationalpark, der uns mit einer tollen Sicht über das Tal belohnte.

Tag 26 – 16.01.

Meine Rafting-Erfahrung beschränkt sich auf eine Fahrt in Südfrankreich im Schüleraustausch in der 10. Klasse, die ich allerdings als ganz schön, aber nur ein bisschen wild in Erinnerung habe. Helena war zuletzt vor zehn Jahren raften und von der Erfahrung mangels action nur semi-begeistert, weil es ebenfalls nicht wirklich fordernd war.

Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt zum Einstiegspunkt schlüpften wir in die Neoprenanzüge, bekamen Helme und Schwimmwesten und sahen aus wie die letzten Deppen. Die theoretische Einführung war schnell erledigt, dann ging es los und zu unserer Überraschung mussten wir in einem langsam fließenden Teil des eiskalten Futaleufú wirklich alle Mann-über-Bord üben. Danach war immerhin die Angst vor Wasserkontakt weg.

Was in den nächsten Stunden folgte, war eine der besten Erfahrungen meines Lebens und, sagen wir mal, zumindest eine Erfahrung für Helena. Die Stromschnellen waren unglaublich, unser Boot hüpfte trotz unseres angeleiteten Ruderns, bis es mich und eine Mädchen im Bug schließlich in den Fluss schwemmte. Dafür sind ein Sicherungs-Floß und ein Kajak dabei, die versuchen, einen schnellstmöglich aus dem Wasser zu fischen, denn innerhalb der Stromschnellen ist nicht viel mit geordnetem Schwimmen. Großartig – ich war völlig begeistert, ich hatte ein bisschen gefürchtet, es würde ein Ausflug mit primär Rudern zwischen einzelnen Stromschnellen werden, aber ich wurde sehr positiv überrascht.

Ein paar Stellen weiter verabschiedete sich dann unser Raft-Chef über Bord, was ebenfalls sehr witzig war, auch wenn wir ohne ihn ziemlich planlos waren. Nachdem wir von den anderen Guides an eine ruhige Stelle gelotst worden waren und unser Chef wieder bei uns, konnte es weitergehen. Kurz vor Ende kam dann der Endgegner: In einer riesigen Stromschnelle kenterten wir komplett, so dass unser Raft mit dem Boden oben schwamm. Ich konnte mich daran festhalten, so dass ich nach ein paar mal glücklicherweise niemals langem waterboarding recht schnell wieder ins Boot klettern konnte, nachdem unser Chef es aus dem Wasser heraus wieder gedreht hatte, reingeklettert war und mir helfen konnte. Die anderen wurden durch den Fluss verteilt und mussten teilweise erheblich mehr Wasser schlucken als ich, aber schließlich wurden wir dank der anderen Guides wieder im Boot vereint. Ich hatte bisher gedacht, das Sicherungs-Floß und das Kajak wären ein nettes Plus, aber in der Situation hat man gemerkt, dass man sie wirklich braucht, denn als Schwimmer hat man teilweise keine Chance, an der Oberfläche zu bleiben, geschweige denn, maßgeblich zu steuern.

Eins von den Videos kann man hier sehen (die Datei ist 1,2 GB groß, kann also dauern beim Laden), ab 1:15 sind wir in der Stromschnelle, in der meine Nachbarin (vorne links) und ich (vorne rechts) das Boot „verlassen“.

Tag 27 & 28 – 17. / 18.01.

Von Futaleufú ging es zunächst zurück auf die Carretera und dann noch ca. 50 km weiter nördlich in den Parque Nacional Pumalín Douglas Tompkins. Benannt ist der nach dem ursprünglichen Besitzer des Landes, dem amerikanischen Milliardär und Mitgründer von The North Face, Tompkins. Der hatte zum Schutz gegen zunehmende wirtschaftliche Ausbeutung und Zerstörung von Flora und Fauna unter anderem auch das Land, in dem heute der Parque Nacional Patagonia besteht, gekauft. Er ließ diese zunächst zu privaten Naturschutzgebieten umbauen, bevor sie schließlich dem Staat übergeben wurden. Der Lebenslauf ist sehr lesenswert, traurigerweise ist Tompkins 2015 in Patagonien nach einem Kajak-Unfall gestorben.

Der gesamte Park ist riesig (mehr als das vierfache von Berlin) und hat mehrere Eingänge. Wir waren zunächst am Südende und entschieden uns für die einzig längere Wanderung, die man dort machen kann und welche zu einem Gletscheraussichtspunkt führte. Die Tour hat sich deutlich mehr gelohnt als die zu dem hängenden Gletscher, denn man wandert 10 km ziemlich flach und mit guter Sicht bis zum Fuß des Gletschers, so dass man ein Gefühl dafür bekommt, wie riesig er ist.

Nach der immerhin sechsstündigen Tour verließen wir den Nationalpark, da es auch hier eine ziemlich aktive Population blutdürstiger Insekten gab und fuhren über Chaitén an den Strand von Santa Barbara, wo wir die nächsten zwei Nächte verbrachten.

Tag 29 – 19.01.

Ausgeschlafen ging es an unsere letzte Wanderung in Patagonien, die Besteigung des äußeren Rings des Volcán Chaiténs, der 2008 zuletzt ausgebrochen ist. Aktuell wird er als inaktiv eingestuft, zum Zeitpunkt unseres Besteigens rauchte er nur kaum wahrnehmbar vor sich hin.

Volcán Chaitén
Blick auf den eigentlichen Krater links

Tag 30 & 31 – 20. / 21.01.

Am nächsten Vormittag machten wir uns auf den Weg zur ersten von drei Fähren, die uns noch vom Abgabe-Ort unseres Vans, Puerto Varas, trennten. Nach einer unspektakulären, 30 minütigen Fahrt steigt man wieder ins Auto, fährt 10 Kilometer über eine unbefestigte Straße und dann in die zweite Fähre, die dann allerdings gute drei Stunden braucht.

Die letzte Nacht verbrachten wir kurz vor der letzten Fähre wieder direkt am Meer, diesmal in Gesellschaft von einigen äußerst uninteressierten Kühen. Und dann hieß es am nächsten Tag auch schon gefühlt viel zu früh, Abschied von unserem zu Hause nehmen und wieder in die Zivilisation einzutauchen.

Campervan unter Sternenhimmel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert