Auf die Stadt hatten wir uns unabhängig vom Karneval sehr gefreut: Wir hatten beide vor Jahren einen überraschend interessanten Reisebericht gelesen, in dem Buenos Aires schon sehr gut wegkommt (Danke, Magbob). Das deckte sich mit den Aussagen aller anderen Reisenden, die wir unterwegs trafen: Jeder liebt diese Stadt.
Die Hauptstadt Argentiniens ist auf dem Papier mit knapp 3 Millionen Einwohnern zwar kleiner als Santiago de Chile, zusammen mit dem ohne spürbare Grenze rundherum gelegenen Ballungsraum wohnen allerdings 14 Millionen Menschen dort. Sie liegt an der Mündung des Río de la Plata in den Atlantik, wodurch das Wasser sehr schlammig ist.

Für unseren ersten Aufenthalt hatten wir uns das Viertel San Telmo ausgesucht. Es ist eines der älteren Viertel mit vielen, teilweise unter Denkmalschutz stehenden und teilweise charmant verfallenden, Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert. Ergänzt wird diese schöne Kulisse durch – wer hätte es gedacht – zahllose Cafés, Bars und Restaurants. So kann man prima mehrere Tage dort verbringen, ohne zweimal im selben Laden zu essen.
Ein touristisches Highlight des Viertels ist der sonntägliche Trödel- und Antiquitätenmarkt, der sich auf der anderthalb Kilometer langen Calle Defensa erstreckt. Startpunkt ist das Zentrum San Telmos, der Plaza Dorrego, auf dem sich nahezu rund um die Uhr Gruppen von Tänzern für die Touristen zu Tango-Klängen aus mitgebrachten Boxen bewegen.
Über die Calle kommt man durch die sonntags dichtgedrängte Menschenmenge zum zentralen Platz von Buenos Aires, dem Plaza de Mayo. Der ist umringt von zahlreichen beeindruckenden Gebäuden, unter anderem dem Präsidentenpalast, der Casa Rosada (das rosafarbene Haus). Neben den wahren geschichtsträchtigen Momenten wurden hier auch Szenen für den Musical-Film Evita mit Madonna und Antonia Banderas gedreht (wer hätte gedacht, dass der Musikunterricht in der Mittelstufe für irgendetwas gut ist …).
Das Zentrum von Buenos Aires hat architektonisch an vielen Stellen Paris als Vorbild, was man angesichts der breiten Prachtstraßen und der monumentalen Gebäude auch deutlich merkt. Der Plaza de Mayo ist über eine solche Straße mit dem Sitz des Kongresses verbunden. Dort fanden zum Zeitpunkt unseres Besuchs leider Renovierungsarbeiten statt, man kann dem Gebäude aber trotzdem ansehen, das die Stadt Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die Fuffis in den Club geschmissen hat.
Ein weiterer Prachtbau ist das Teatro Colón, eines der bekanntesten Opernhäuser der Welt. Als kulturelle Banausen hatten wir zwar noch nie vorher etwas von dem Theater gehört, aber das Äußere und die Reiseführer sprachen für sich. Tickets für eine Veranstaltung gab es leider so kurzfristig nicht mehr, deswegen machten wir eine normale Führung durch das, auch von innen beeindruckende, Gebäude. Wir konnten sogar ein Foto von der offiziell noch geheimen Kulisse der nächsten Aufführung machen – das R in elpinguino steht für Risiko.
Auf den Plätzen und Straßen der Stadt konnte man allerdings auch deutlich die Armut sehen: In den Parks gab es viele Obdachlose und wenn wir draußen in einem Café saßen, wurden wir regelmäßig von Bettlern angesprochen. In den Vierteln der Innenstadt war das insbesondere in San Telmo der Fall.
Wenn man von dort Richtung Küste läuft, kommt man in einen der jüngsten Stadtteile von Buenos Aires, Puerto Madero. Das lange verfallende Viertel, das ursprünglich mal der Hafen der Stadt war, ist mittlerweile der place to be – wenn man reich genug ist. Seit den 90ern wurden immer mehr Wohnungen, Restaurants und Museen gebaut, so dass der Stadtteil mittlerweile in einer westeuropäischen Stadt weder vom Aussehen noch von den Preisen her auffallen würde.
Im Anschluss an unseren Trip nach Uruguay hatten wir nochmal vier Nächte in Buenos Aires, die wir diesmal in Palermo, dem größten Viertel der Stadt, verbrachten. Palermo ist wegen seiner hohen Dichte an Ausgehmöglichkeiten vor allem bei Touristen und jungen, wohlhabenden Porteños, so werden die Einwohner von Buenos Aires genannt, beliebt.
Nachdem wir die kulinarischen Optionen in der Umgebung ausgiebig getestet hatten, machten wir noch einen Ausflug in das Viertel La Boca. Das ehemalige Arbeiterviertel sollte wegen der Häuser, die zum Teil aus den Überresten von Schiffscontainern gebaut und meist bunt angemalt sind, sehenswert sein. Daneben gibt es zahllose Straßenkünstler und -verkäufer sowie sozialkritische Graffitis. Das alles konzentriert sich jedoch auf einen kleinen Bereich, der sich anfühlt wie ein Themenpark und von Reisegruppen überflutet ist. Außerhalb dieser Handvoll, von Polizisten bewachten, Straßen ist das Viertel sehr arm, was sich in einer der höchsten Kriminalitätsraten der Stadt niederschlägt.
Die Metro fährt nicht bis La Boca, daher waren wir mit einer der unzähligen Buslinien hergekommen, allerdings leider mit einer, die nicht in den touristischen Teil fuhr. Wir mussten also einige Hundert Meter durch die eher leeren Nebenstraßen laufen. Uns passierte überhaupt nichts, aber spätestens nachdem uns der dritte Mensch angesprochen hatte, wir sollten schleunigst in eine andere Straße gehen, bzw. hier nicht weiter und eine Abzweigung nehmen, weil wir sonst überfallen würden, war uns etwas mulmig. Das Gefühl, nur eine Ecke weiter quasi in einer anderen Welt inmitten einem Trubel von Touristen, Tango-Tänzern und Straßenverkäufern zu stehen, ist definitiv schwer zu beschreiben.
Alles in allem waren wir ziemlich enttäuscht von dem als unbedingt sehenswert angepriesenen Viertel. Allerdings haben wir einige Straßen mit Graffitis nicht gefunden, oder es gab sie vielleicht nicht mehr. Ob die es rausgerissen hätten, sei aber mal dahingestellt …
Unser Flug nach Neuseeland ging zwar erst um 23:45 Uhr, aber an unserem letzten Tag goss es wie aus Eimern und zwar von morgens bis abends. Nach einem halben Jahr Südamerika genossen wir unser letztes bife de chorizo (argentinisches Rindersteak) dementsprechend leicht durchnässt und mit einem etwas komischen Gefühl, bevor es zum Flughafen ging.