Obwohl ebenfalls klein, merkt man, dass Queenstown das Zentrum der Region ist. Mit einem ernst zu nehmenden Flughafen und zahllosen Freizeit-Angeboten ist die Stadt, in der das Bungee-Jumping 1986 von Sprüngen einzelner Verrückter zu einem Abenteuersport wurde, deutlich lebhafter als Wanaka.
Wie Wanaka liegt Queenstown wunderschön an einem See und ist umgeben von mehreren Bergzügen. Der hauptsächliche Unterschied war, dass es an der Südseite einer Bergkette und damit ab mittags im Schatten liegt. Im Sommer ist das sicherlich angenehm, aktuell war dadurch nur unter mehreren Wärmestrahlern an draußen sitzen zu denken. Die Temperaturen lagen tags im hohen und nachts im niedrigen einstelligen Bereich, häufig begleitet von Winden direkt aus dem antarktischen Eisfach.

Wir hatten im Vorfeld nach langem Studieren der eher überschaubaren Pistenpläne von Neuseelands Skigebieten entschieden, dass wir die beiden in der Nähe von Queenstown gelegenen Gebiete testen wollten. Das Ausleihen der Ausrüstung ging genauso schnell und unkompliziert wie in Europa. Auch bei den Verleihern machte sich der Touristenmangel bemerkbar: Die Angebote waren überall gleich und wir die einzigen im Laden.
Die Skigebiete selbst sind im Vergleich zu denen in den Alpen winzig: Beide Areale hatten vier Sessellifte und dementsprechend auch ein begrenzte Mengen Pisten. Die Berge sind im Schnitt deutlich kleiner, so dass die Gebiete viel tiefer liegen, in den meisten liegt das untere Ende der Pisten auf ca. 1600 m. Generell anders ist hier auch die Anreise; statt mit einem Lift aus dem Ort fährt man mit dem eigenen Auto oder einem Ski-Bus zu den Pisten. Normalerweise sind dafür Schneeketten obligatorisch, dieses Jahr war von Schnee auf der Strecke keine Spur.

Mit eigenem fahrbaren Untersatz gesegnet, hatten wir uns entschlossen, die 1200 Höhenmeter über teilweise nicht asphaltierte Straße selbst zu fahren. Grace hielt das auch tapfer bis zum Ende durch, nach dem Parken fing sie aber leider an, sprudelnd eine orange, dampfende Flüssigkeit aus dem Motorraum zu erbrechen. Ein Kiwi neben uns meinte, dass das am ehesten die Kühlflüssigkeit des Motors sei. Er klang ziemlich überzeugt, der zugehörige Behälter war auch leer und wir konnten mangels irgendeines Wissens über Autos sowieso nicht viel anderes beitragen.
Nach diesem durchwachsenen Start wurden wir von dem Ski-Tag positiv überrascht. Die Pisten waren wirklich gut und trotz, dass es wenige waren, haben wir uns nicht gelangweilt. Wegen Corona Level 2 durften die Lifte nur teilweise besetzt werden (sprich, mit Abstand zwischen Gruppen oder einzelnen Fahrern), das führte zwar zu langen Schlangen davor, aber auch zu angenehm freien Pisten.

Die europäische Hüttenkultur in den Skigebieten gibt es so nicht, das einzige Restaurant ist dort, wo bei uns die Bergstation wäre, also am unteren Ende der Pisten. Zumindest auf der Terrasse ist es aber eher üblich, sich selbst etwas mitzubringen und das von morgens an im Rucksack einfach an der Hauswand liegen zu lassen. Dadurch sieht die Bergstation aus der Nähe aus als würde ein Wanderzirkus Station machen, aber das Konzept war uns sehr sympathisch.

Für den Rückweg hatten wir Graces Kühlflüssigkeitstank mit Wasser aufgefüllt und bis auf einen etwas anderen Klang des Motors (vielleicht auch nur in unseren Köpfen) ging die Fahrt glücklicherweise ohne Probleme von statten. Da wir Skier und Snowboard für zwei Tage am Stück ausgeliehen hatten, fuhren wir am nächsten Tag mit dem Ski-Bus (ein modifizierter LKW) in das andere Skigebiet. Auch der Bus ist anders als die in den europäischen Skigebieten: Man kommt zur Haltestelle, gibt seine Skier an einen – wie immer netten – Kiwi ab, und fährt nach einer freundlichen Begrüßung aller durch den Busfahrer entspannt los.
Das zweite Skigebiet lag zwar tiefer, hat uns aber noch besser gefallen. Auch hier wurden mit dem Tag die Schlangen an den Liften lang, aber die Angestellten waren ausnahmslos junge, gut gelaunte Menschen, die sich mit smalltalk und Sprüchen darum kümmerten, dass einem das Warten nicht zu lang vorkam.

Der Kiwi an sich fährt nach unserem Eindruck mehr Snowboard als Ski und zu einem deutlich größeren Teil auch Tiefschnee. Das war aktuell wegen des milden Winters allerdings nicht möglich; neben den Pisten war entweder der normale Boden oder eine Eisschicht, auf der Fahren keinen Spaß machte.

Ein Werkstatttermin für Grace war erst ein paar Tage später zu bekommen also nutzten wir die Zwischenzeit, um die Stadt und ihre Cafés und Kneipen zu erkunden. Queenstown hat ein wirklich großes Angebot, so dass wir wahrscheinlich nur an der Oberfläche gekratzt haben.

Wandern durfte natürlich auch nicht zu kurz kommen, die Strecken in der unmittelbaren Umgebung waren allerdings nicht so schön wie in Wanaka. Eine Ausnahme stellte der Hausberg von Queenstown dar, Ben Lomond. Man kann sich den Teil unterhalb der Baumgrenze mit einer Gondelfahrt ersparen und den Rest mit großartigem Panorama umso mehr genießen. Auf dem Gipfel hatten wir zum ersten und einzigen Mal das Winter-Wonderland, das wir uns viel häufiger erhofft hatten, nachdem klar war, dass wir im Winter in den southern alps herumsteigen würden.
Grace wurde schließlich morgens in einer Werkstatt abgegeben und nach nur wenigen Stunden, in denen wir geistig einen möglichen neuen Autokauf durchspielten, kam die gute Nachricht, dass lediglich eine kaputte Dichtung an der Verschlusskappe des Tanks für die Kühlflüssigkeit der Grund gewesen sei.
Mit der wieder gewonnenen Mobilität konnten wir uns von Queenstown verabschieden. Ziel war der nächste Great Walk, der Routeburn Track. Great Walks sind die schönsten und damit beliebtesten Mehrtages-Treks in Neuseeland. Im Sommer muss man die Hütten buchen wie bei einem Konzert: Sobald die Buchung freigeschaltet ist, hat man mitunter nur Stunden, bis alle Termine vergeben sind. Im Winter ist bis auf wenige Ausnahmen überall first-come-first-serve und der Service ist deutlich reduziert (kein fließendes Wasser, kein Brennholz, kein hut warden und, falls im Sommer vorhanden, kein Gas oder Strom).

Wegen eines Erdrutsches war ein Teil des Tracks unpassierbar, daher hatten wir nur eine Übernachtung geplant. Der Aufstieg zur Hütte auf 1000 Metern ging flott und die Furcht, es könnte in der Höhe zu kalt werden, wurde durch einen bereits brennenden Ofen rasch zerstreut. Die teilweise bereits gut angetrunkene Kiwi-Gruppe, die schon in der Hütte war, versicherte zusätzlich, dass sie uns schon warm halten würde …
Wir nutzten den Nachmittag zum Aufstieg zu einem Bergsee und dem höchsten Pass des Tracks. Leider wurde uns die umwerfende Aussicht immer nur minutenweise zwischen den Wolken gegönnt, schön war es aber trotzdem. Der Pegel unserer Mitbewohner war in der Zwischenzeit nicht gesunken, aber die Schlafräume waren durch einen Flur von dem Aufenthaltsraum getrennt, sodass wir gut schlafen konnten.
Der Abstieg am nächsten Morgen ging ebenfalls schnell vonstatten und da das Wetter noch besser als erwartet war, gönnten wir uns einen Kaffee-und-Kuchen-Stop im verschlafenen Glenorchy, das wir auf der Anreise zum Track übersprungen hatten.
