Als sich ein 4 – Tage – Fenster mit nur einem Regentag im Wetterbericht für Southland abzeichnete, war klar, dass das unsere Chance für den 60 km langen Kepler Track war. Ein weiterer Great Walk, den wir bis dahin immer wieder hatten verschieben müssen aufgrund des Wetters.
Mittlerweile geübter, waren die Vorbereitungen schnell geschafft und wir starteten entspannt in den ersten Wandertag. Die ebene Tagesetappe schlängelte sich am Seeufer und dann durch dichten Wald ohne aufregende Aussichten. An der ersten Hütte angekommen wurden wir von einem wunderschönen Blick auf den Lake Manapouri und dessen Sandstrand überrascht. Den mussten wir leider teilen mit den Mitarbeitern einer Firma aus Invercargill, die mit Motorbooten angereist waren, und ihren jährlichen Ausflug bei unserer Ankunft schon reichlich begossen. Im Gegensatz zu den feiernden Kiwis beim letzten Mal auf dem Routeburn-Track blieben sie allerdings mit Lagerfeuer am Strand und störten uns erst ab ca. 4 Uhr morgens, als 20 Besoffskis ihr Bett im Schlafsaal suchten (nacheinander versteht sich).
Der nächste Tag war der angekündigte Regentag – da die Tagesetappe aber bis kurz vor Schluss weiterhin durch dichten Wald führte, bemerkten wir nur ein Nieseln, das im Verlauf ganz nachließ. Erneut erreichten wir schon gegen Nachmittag die Hütte, die diesmal auf einer kleinen Grasebene direkt zu Füßen der Berge lag. Spontan über-motiviert von ein paar Sonnenstrahlen hüpften wir als Duschersatz in den nahe gelegenen Fluss – für genau 30 eiskalte Sekunden. An dem Abend teilten wir die Hütte nur mit einem argentinischen Pärchen, dem wir trotz des nassen Holzes ein wärmendes Feuerchen zu verdanken hatten.
Tag 3 wurde der Höhepunkt der Wanderung mit seinem alpinen Abschnitt über die 1300 m hohe Kepler Range. Aufgrund des absolut milden Winters ohne nennenswerten Schneefall bis dahin hatten wir uns, trotz der für die Jahreszeit üblichen Sicherheitswarnungen, gegen die Mitnahme von Eisaxt und Steigeisen entschieden. Das sympathische argentinische Pärchen war mit allem ausgerüstet und so blieb – zumindest bei mir – eine gewisse Vorspannung, welche Schneeverhältnisse uns erwarten würden. Nach dem 1000 m Höhenanstieg stellte sich unsere Entscheidung aber als die Richtige heraus – von relevanten Schneemengen auf dem Pfad keine Spur.
Die Aussichten wurden noch getoppt vom Besuch einiger Keas, die mehr als neugierig auf unsere Snacks schielten. Unsere letzte Hütte lag noch über der Baumgrenze und mit ihren Blicken auf die umgebenden Berge und Lake Te Anau wurde sie zum Favorit unserer besuchten Hütten in Neuseeland.
Der Abstieg am Folgetag und zurück zum Auto ging flott und wir machten uns auf den Weg nach Norden. Zu unserer großen Freude lag Wanaka strategisch günstig auf der Route zu unseren folgenden Zielen und wir hatten einen guten Grund, erneut ein paar Nächte hier zu verbringen. Es war bereits deutlich wärmer und beim Spaziergang am Seeufer stellten wir mit Erstaunen fest, dass die beim letzten Mal noch kahlen Äste grüne Triebe trugen: Der Frühling war da!
Eine der seltenen Regenpausen an der Westküste nutzten wir für einen Abstecher zu ihrem südlichen Teil, den wir damals ausgelassen hatten. Ziel war der Franz-Josef-Gletscher, den der erste europäische Entdecker 1865 nach seinem Kaiser benannte und der den letzten ungesehen Ort auf unserer „Wunschliste der Südinsel“ darstellte. Wir waren schon auf den massiven Rückgang des Gletschers in den letzten Jahren vorbereitet worden und den atemberaubenden Perito Moreno in Argentinien konnte sowieso nichts schlagen, aber wir wollten der Region trotzdem eine Chance geben. Eine Tagestour zu einem Gipfel mit Aussichtspunkt gewährte uns dann auch einen guten Blick auf den in der Ferne liegenden, immer noch beeindruckenden Gletscher. Noch verrückter war allerdings die Nähe zur Meeresküste und damit der Anblick eines Gletschers direkt neben dem Ozean, was in diesen Breitengraden einzigartig ist.
Bevor wir die Westküste wieder verließen, besuchten wir, vor allem auf meinen Wunsch hin, das örtliche Wildlife Centre, um erneut Kiwis und diesmal auch Kiwijunge aus der Nähe sehen zu können. Die beiden sieben Tage alten Vögel waren ebenfalls durch Operation Nest Egg des DOC aus der Wildnis gerettet worden, wo sie kaum eine Überlebenschance haben. Laut den Erklärungen der Mitarbeiterin entwickelten sie sich prächtig, auch wenn sie durch ihre Box noch mehr purzelten als koordiniert liefen.