Zentralchile

Nach einer erneuten internen „Krisensitzung“, in der wir mal wieder feststellten, dass Südamerika riesig ist und wir ja generell viel mehr Zeit bräuchten, jonglierten wir mit unseren verbliebenen Tagen bis zum gebuchten Abflug nach Neuseeland. Um auch noch den Karneval Ende Februar in Buenos Aires sehen zu können, mussten wir unsere Ziele bis dahin hart zusammenstreichen, was Tobi deutlich besser gelang als mir. Außerdem buchten wir angesichts der riesigen Distanzen doch wieder einen Inlandsflug und gelangten zu der Einsicht, auf dieser Reise nicht mehr nach Bolivien zu kommen. Wir entschlossen uns, von Santiago aus nur noch zwei andere Ziele in Zentralchile zu besuchen.

Zunächst ging es mit dem Bus vier Stunden nach Süden in die Weinregion Chiles, ins Valle de Colchagua. Viel Sonne und gemäßigte Temperaturen lassen die hauptsächlich roten Trauben hier gut gedeihen. Neben Cabernet Sauvignon ist vor allem der Carménère bekannt. Der stammte zwar ursprünglich aus Frankreich, wächst aber heute ausschließlich in Chile.

Weinberg
Valle de Colchagua

In dem kleinen Örtchen Santa Cruz verbrachten wir zwei Nächte, um einen vollen Tag lang verschiedene Weingüter erkunden zu können. So war zumindest der Plan. Wir liehen uns Fahrräder bei einem netten Schweizer (die einzigen richtig guten Fahrräder, die wir in Südamerika bekamen) und fuhren 10 km zum ersten Weingut. Da bei unserer last-minute-Buchung am Vorabend nur noch um 14 Uhr freie Plätze für die Verköstigung zu bekommen waren, entschieden wir uns (glücklicherweise) für ein Mittagessen im Restaurant des Weinguts. Es war eine wunderschöne Anlage, deutlich größer und schicker als vermutet. Nach dem Essen waren wir dann überraschenderweise alleine bei der Verköstigung der sieben Weine. Zu unserer noch größeren Überraschung bestand diese nicht aus sieben Probier-Schlucken, sondern aus gut gefüllten sieben Gläsern Wein. Die nette Dame erzählte uns kurz etwas zu den verschiedenen Tropfen und ließ uns dann alleine. Wir sollten genießen und entspannen, wir dürften auch ein Nickerchen machen … ganz wie wir wollten … Zunächst noch perplex schlürften wir unseren wirklich leckeren Wein über die nächsten Stunden und verabschiedeten uns mit jedem Glas von der Idee, noch weitere Weingüter aufzusuchen.

Am Abend zurück in Santa Cruz fanden wir eher zufällig noch das kleine Dorffest am Plaza de Armas mit Livemusik und traditionellem Paar-Tanz, in welchem ein weißes Taschentuch eine große Rolle spielt. Wie immer in Chile und Argentinien boten Menschen mit einem asado (Grill) großartige parilla (gegrilltes Fleisch) an.

Straßenfest in Santa Cruz

Die nächsten beiden Nächte verbrachten wir zwei Stunden nördlich von Santiago in der Studenten- und Hafenstadt Valparaiso, deren vorauseilender Ruf ein einerseits chaotisches und dreckiges sowie andererseits künstlerisches und philosophisches Bild zeichnet.

Valparaiso
Valparaiso

Bei unserer Ankunft im Hostel bekamen wir von der netten Chilenin eine etwas längere Erklärung zum Stadtplan und sie zeichnete ziemlich detailliert Straßenkreuzungen ein, die wir ab dem späten Nachmittag tunlichst vermeiden sollten, denn fast jeden Abend werde hier weiter protestiert und das teilweise weniger friedlich als im fernen Patagonien.

Valparaiso
Chiles Präsident Piñera

Wahrscheinlich war die Wirkung in der kleineren Stadt auch anders als im riesigen Santiago, aber im Zentrum waren die Spuren der Proteste nicht zu übersehen. Die gesamte Innenstadt, mit Sitz des Nationalkongresses, war mit Graffiti-Parolen überzogen und sämtliche offizielle Gebäude zum Schutz verriegelt und verrammelt. An den Wänden „hingen“ die Reste des von der Polizei eingesetzten Tränengas, das uns auch am sonnigen Mittag in den dann ruhigen Straßen ein Brennen in Augen und Nase bescherte. Unsere Vermieterin erzählte weiter, sie habe zwar einen deutlichen Rückgang der Anzahl der Übernachtungen bemerkt, hoffe aber darauf, dass sich die wirtschaftliche Situation nach der Abstimmung über eine mögliche neue Verfassung im April verbessern würde. Bisher habe man den Chilenen erzählt, sie sollten froh über ihre gewonnene Demokratie sein und sich nicht beschweren …

Sobald man das Zentrum verließ, war von alldem nichts mehr zu bemerken. Wir schlenderten durch die Kopfsteinpflaster-Gassen mit viel schöner Straßenkunst und vor allem ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht in jeder Galerie und Ausstellung diverse Bilder, Einrichtungsgegenstände und Kunsthandwerke einzukaufen.

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