Uruguay – die Kür: Panagea Estancia

Nach dem Ausflug nach La Paloma verbrachten wir im Hinterland von Uruguay zwei Nächte auf einer Estancia. Überall in Argentinien wurden bereits Aufenthalte auf so einem „südamerikanischen Landgut“ für Touristen angepriesen. Dabei wurde mit schicken Fotos von Liegestühlen im Kornfeld und traditionellem Asado (Grillfest) geworben.
Doch die Beschreibung der Panagea Estancia klang ganz anders, man sollte eintauchen in das echte Gaucho Leben – das Leben des südamerikanischen Cowboys. Ob das nun stimmte, wussten wir zwar nicht, aber es klang ansprechender als die sonstigen (hochpreisigen) Angebote.

Nach der fünfstündigen Busfahrt nach Tacuarembó in den Norden Uruguays (nicht mehr weit bis Brasilien) empfing uns Juan, der Inhaber der Ranch am Busbahnhof und es folgten weitere 40 km Autofahrt. Bald war die Straße nicht mehr asphaltiert und die Abzweigungen wurden kleiner und kleiner. Man spürte immer deutlicher, hier von allem sehr weit weg zu sein.

Estancia

Wenige Kilometer außerhalb von Tacuarembó enden die Stromleitungen und das Handynetz. Auf der Estancia wird von 19 – 22 Uhr ein Generator angestellt, danach muss man mit Kerzenlicht auskommen. Warme Duschen gibt es vor Sonnenuntergang dank Solarenergie, gekocht wird auf einem mit Holz befeuertem Herd.

Nach kurzer Akklimatisation am ersten Abend startete unser Gaucho-Leben am nächsten Morgen. Ab 7 Uhr gab es Frühstück, danach suchte sich jeder in einem großen Haufen Stiefel, Hose und Sombrero aus und um 8 Uhr ging es los: Jeder bekam ein Pferd zugeteilt und nach (sehr) kurzer Einführung waren wir selbst gefragt. Ungefähr alles unterschied sich von einem deutschen Reiterhof.

Terremoto

Beim Aufzäumen machte Tobis Pferd seinem Namen Terremoto (Erdbeben) alle Ehre. Später hingegen beim Loslaufen war von der Energie nicht mehr viel bemerkbar …

Juan, der auch Tierarzt ist, erklärte uns noch kurz unsere erste Aufgabe: Wir würden eine Rinderherde von einer Weide zurück zur Farm bringen, da er sie impfen musste. Und dann ging es auch schon los. Unsere Gruppe von ungefähr 15 Reitern setzte sich gemütlich in Bewegung. Die Zügel werden in einer Hand gehalten, die andere hat locker auf dem Oberschenkel zu liegen. Nach kurzer Zeit ließ die Aufregung nach und wir konnten die Ruhe und unglaublich schöne Weite der Landschaft genießen. Wir kreuzten Bachbetten und sahen Nandus davonrennen.

Bei der Rinderherde angekommen, mussten die verstreuten Tiere zunächst zusammengeführt werden. Wir (bzw. unsere Pferde) folgten Juan von der einen Seite des Zauns, während Bilingue, der angestellte Gaucho mit zwei Hunden von der anderen Seite kommend über die Wiese preschte. Ehrlicherweise war niemand auf uns angewiesen, Pferde und Rinder wussten, was passieren würde und Bilingue hätte das Ganze wahrscheinlich auch alleine hinbekommen. Aber es fühlte sich verdammt cool an, so mittendrin auf dem Pferderücken. Und schon ging es gemächlich mit der Herde durchs Tor zurück zur Estancia.

Dort wurden wir dann ohne Pferde wirklich gefordert. Die Rinder mussten nacheinander durch eine Art Gasse gehen, um dort gegen die Maul- und Klauenseuche geimpft werden zu können. Von Mitte Februar bis Mitte März werden alle Rinder in Uruguay geimpft. Den Impfstoff stellt die Regierung kostenlos zur Verfügung. Dabei finden die Tiere die Impfung genauso toll wie Kinder, weswegen wir sie mit Rufen und wildem Schwenken von Fahnen „motivieren“ mussten. Der beste Teil kam im Anschluss: Jede Kuh musste einmal in ein Bad hüpfen, das mit Anti-Zecken-Mittel versehen war.

Nach einem herzhaften Mittagessen und kurzem Nickerchen ging es nachmittags weiter. Die am morgen geimpfte Rinderherde musste zurückgebracht werden, eine andere sollte die Weide wechseln, damit sich das Gras erholen kann. Wir wurden mutiger und entspannter auf dem Pferderücken.

Das Abendessen war wohl eines der leckersten Rindersteaks, das wir je hatten, natürlich aus eigenem Bestand. Am Lagerfeuer bekamen wir Grappamiel und die Gelegenheit, endlich unseren deutschen Schnaps mit den anderen Gästen aus Frankreich, Finnland und Montevideo zu teilen (Danke an Linda und Marco für die „Köstlichkeiten“ zum Abschied).

Am nächsten Morgen quälten wir uns um 5.30 Uhr aus dem Bett, um beim Melken zweier Kühe dabei zu sein. Gar nicht so einfach, da was rauszubekommen. Der Euter sah auch nicht so aus, wie bei unseren hochgezüchteten europäischen Milchkühen. Bilingue zeigte erneut große Geduld mit uns …

Kühe melken

Nach dem Frühstück trieben wir erneut eine Kuhherde zum Impfen zur Estancia zurück, diesmal mit mehreren Müttern mit Kälbern. Die große Herausforderung für uns bestand im Separieren der Jungtiere, da diese noch nicht geimpft werden.
In dieser Herde waren auch zwei kranke Tiere dabei. Das infizierte, halb zerfetzte und anscheinend mit Larveneiern besiedelte Ohr einer Kuh behandelte Bilingue mit bloßen Händen mit irgendeinem Pulver und iodhaltiger Salbe. Von Juan gab es noch ein Antibiotikum gespritzt. Man versicherte uns beste Heilungsaussichten und dass man in zwei Wochen nichts mehr sehen würde.
Eine andere Kuh hielten wir auf den ersten Blick für trächtig aufgrund ihres dicken Bauchs. Aber Juan erklärte uns, dass diese ein Problem mit dem Loswerden des beim Wiederkäuen entstehenden Methans hätte. Daher wurde der Magen kurzerhand mit einem desinfizierten Schraubenzieher von außen perforiert, woraufhin wir tatsächlich ein lautes Zischen hören konnten und der Bauchumfang sichtbar schrumpfte. Nach einer antibiotischen Spritze wurde auch sie wieder auf die Weide entlassen …


Einigen der jungen Rinder begannen Hörner zu wachsen, was wohl genetisch festgelegt ist. Juan knipste diese mit einer Art Zange ab, was den Tieren – im Gegensatz zur Impfung – überhaupt nichts auszumachen schien.

Nach dem Mittagessen war unser Aufenthalt leider schon vorbei. Im Nachhinein bereuen wir beide, trotz Muskelkater, nur zwei Nächte gebucht zu haben.

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