Westküste

Von Wellington brachte uns die Autofähre innerhalb von vier Stunden auf die Südinsel. Die restlichen 330 km nach Christchurch legten wir ohne nennenswerten Zwischenstop zurück. Um den Campervan maximal ausnutzen zu können, hatten wir die Fähre so gebucht, dass wir exakt nach den besprochenen vier Wochen wieder in Christchurch ankamen. Ehrlich gesagt war Graham, unser Vermieter, aber eher überrascht, als wir uns meldeten und wir hätten wahrscheinlich noch zwei Wochen länger weg bleiben können, ohne dass er es überhaupt bemerkt hätte …

Die Abgabe gestaltete sich wieder als langes Schwätzchen halten im Hof, wo das Gespräch auch auf unsere zukünftigen Pläne kam. Als wir davon sprachen, ein Auto kaufen zu wollen, bot er sofort an, sich umzuhören. Lange Rede kurzer Sinn, zwei Tage später erzählte er uns am Telefon von einem „Super-Deal“, für den wir uns letztendlich auch entschieden. Ein Bekannter bot mit den Worten „ugly but functional“ einen Toyota Estima für umgerechnet 900 € an, der zuvor bereits von einer Campervan Firma ausrangiert worden war. Parallel hatten wir Kleinanzeigen und Händlerangebote durchforstet und asiatische Kleinwagen für minimal 1900 € gefunden. Vorteil des ehemaligen 7-Sitzers war außerdem, dass man hinten auch drin schlafen konnte. So kam eine Woche später unsere 25 Jahre alte Grace mit neuem TÜV-Äquivalent zu uns. Beim Empfang des Autos fielen quasi sofort zwei Steinschläge in der Windschutzscheibe auf und der einzige Autoschlüssel war dermaßen ausgelutscht, dass man das Auto an der Fahrertür nicht mehr öffnen konnte. Und wusstet ihr, dass Autos noch mit 500.000 km auf dem Buckel fahren können? Nach dem kleinen Schock und zwei Werkstattterminen konnte es aber am 24.6. losgehen. Netterweise stattete uns Graham noch mit Matratzen, Campingstühlen und Geschirr aus.

Grace

Wir hatten lange überlegt, in welcher Reihenfolge wir die Südinsel erkunden wollen. Letztlich gab wieder das Wetter den Ausschlag und wir starteten Richtung Westküste, da diese zu dem Zeitpunkt der einzige Ort ohne Niederschlag sein sollte.

Die Hostel Katze vorm Kamin

Nach einer Übernachtung in einem gemütlichen Hostel auf etwa 900 m kurz vor Arthur’s Pass überquerten wir diesen, eigentlich panoramareichen, Bergpass am Folgetag, verzichteten aber aufgrund des Wetters auf die Erkundung des angrenzenden Nationalparks.

In Hokitika an der Westküste angekommen, konnten wir zunächst mehrere Tage im Sonnenschein genießen. Tatsächlich erwähnenswert, da die Westküste der Südinsel eigentlich eine der nassesten Regionen Neuseelands ist (Niederschlag bis zu 5 m jährlich). Der Lonely Planet schreibt an dieser Stelle „reliably rainy“.

Die ersten Sehenswürdigkeiten der dünn besiedelten Küste bestanden aus einer Schlucht, der Hokitika Gorge und dem Lake Kaniere sowie dem netten Strandörtchen Hokitika selbst. In einer Fotogalerie versuchte uns der Inhaber, ein ausgewanderter Deutscher, zum Übersiedeln zu überreden und empfahl uns bereits seinen Anwalt, um die formellen Dinge in die Wege zu leiten …

Im angrenzenden 300 Seelen Ort Ross erfuhren wir von der Golgräber-Ära Neuseelands in den 1860ern. Auf einem einstündigen Spaziergang kann man erhaltene Tunnel und Rohre sowie eine typische Hütte eines Goldgräbers sehen. Ich sach ma so, selbst die einfachsten Wanderhütten heute sind mit mehr Annehmlichkeiten ausgestattet. Hängen geblieben ist vor allem die Infotafel über die Ernährung: Morgens Wasser-Mehl-Brei mit Bacon, mittags Wasser-Mehl-Brei, abends Wasser-Mehl-Brei mit Bacon. Den Abschluss des Rundwegs bildet übrigens der Friedhof 😉

Auf Empfehlung von Madame du Vin (Danke nochmal Katrin!) verbrachten wir ein paar schöne Stunden am Lake Brunner, bevor es an der Küste weiter nach Norden ging. In Greymouth genossen wir die letzten Sonnenstrahlen am Aussichtspunkt Point Elizabeth.

An dieser Stelle möchte ich den Fantail erwähnen, eine weitere Vogelart Neuseelands, von der dort eine außergewöhnlich hohe Anzahl um uns herum hüpfte. Die Fantails fliegen immer wieder direkt vor einen auf den Weg und kokettieren scheinbar mit uns Menschen (angeblich nutzen sie unser lautes Auftreten, mit dem wir Insekten aufscheuchen). Ihr verspieltes Verhalten beinhaltet auch das namengebende Aufstellen der Schwanzflügel zu einem Rad. Und ihr charakteristisches „Zwitschern“ klingt wie die lila Hupe von Tabu, dem Spiel.

Fantail

Für die kommenden Regentage hatten wir ein Zimmer in einem Airbnb an der Küste im Nirgendwo ausgesucht, um diese gemütlich auszusitzen. Grace war vollgepackt mit Lebensmitteln, so dass wir außer für kurze Strandspaziergänge nicht mehr vor die Tür mussten. Letztlich buchte sonst niemand mehr ein Zimmer und wir hatten das ganze luxuriöse Haus für uns. Jackpot.

Die anschließende kurze Regenpause von drei Tagen nutzten wir zunächst für eine Hüttenwanderung. Nach fünf Stunden Aufstieg durch einen Wald, gelangten wir zur DOC verwalteten Kirwans Hut auf 1200 m Höhe, in der wir als Einzige an dem Tag übernachteten. Das hieß auch, dass wir selbst für das Feuer im Kohle-Ofen sorgen mussten. Das gelang uns nur sehr verzögert, so dass es zwar wärmer als draußen war, aber man seinen Atem zu jeder Zeit sehen konnte. Mit Wärmflasche und allen Schichten in unseren Schlafsäcken mit Komfortbereich bis -5 ° war die Nacht aber noch akzeptabel. Der Zugang zum Frischwasser war am nächsten Morgen allerdings eingefroren.

Zurück an der Küste fuhren wir noch zu den viel beworbenen Pancake Rocks, die uns allerdings nicht so richtig überzeugen konnten. Danach freuten wir uns wieder über drei gemütliche Nächte im gleichen Airbnb für die nächste Regenfront. In diesen Tagen waren wir beide erkältet und doppelt froh über die Isolation im Nirgendwo. Die Symptome passten nicht zu Corona und wo hätten wir es hier in Neuseeland herhaben sollen, aber trotzdem war es für die kurzen Momente z.B. im Supermarkt, ein komisches Gefühl mit Erkältungssymptomen in der Öffentlichkeit zu sein.

2 Kommentare zu „Westküste

  1. Ich empfand die Pancake Rocks ebenfalls als überbewertet… zumal man noch Glück mit dem Wetter haben muss. Aber selbst bei Sonnenschein sind sie bloß ok…

    1. Sie lagen bei uns zum Glück auf dem Weg, insofern war es nicht schlimm, dass wir da waren. Und die Erwartungen sind in Neuseeland sicherlich etwas unfair hoch, weil vieles so schön ist …

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