Die Sonne kroch hinter den Wolken hervor und wir aus unserem (äußerst gemütlichen) Loch an der Westküste. Die nächste Station sollte Nelson sein, die älteste Stadt auf der Südinsel. Für uns ausschlaggebender war jedoch, dass es eine der sonnigsten Städte Neuseelands ist. Auch wenn Nelson dieser Erwartung während unseres Besuchs nicht ganz entsprach, gefiel uns der mit ca. 50.000 Einwohnern knapp außerhalb der Top 10 der größten Städte Neuseelands liegende Ort sehr gut.
Wie fast immer lag das nicht zuletzt an hervorragenden kulinarischen Angeboten, unter anderem einer sehr entspannten Kneipe in einer ehemaligen Kirche. Man bekommt hier biertechnisch zwar meist nur Ale, Stout oder ziemlich an Ale erinnerndes Pils, aber man gewöhnt sich tatsächlich daran. Wein ist bei uns meist den zahlreichen Weingütern vorbehalten, in denen man nicht das Risiko eines vollen Glases oder einer Flasche eingehen muss.

Abgesehen von Herumspazieren, Lesen und Cafés erkunden, planten wir vor allem unseren Besuch des nach dem niederländischen Entdecker benannten Abel Tasman National Parks im Nordwesten der Südinsel. Der Park ist zwar der kleinste von allen, aber gleichzeitig einer der beliebtesten, denn er liegt an einem wunderschönen Stück Küste, an welchem sich Klippen, Wald und traumhafte Strände abwechseln. Es gibt mehrere Wanderwege und einen ganzen Haufen von Hütten und Zeltplätzen, die man in der Hauptsaison Monate im Voraus buchen muss, um noch einen Platz zu bekommen.
Die Hütten und Campingplätze in den Nationalparks und teilweise auch außerhalb dieser werden vom DOC (Department of Conservation) betrieben. Bei den Hütten wird in vier Kategorien unterteilt: Die beliebtesten liegen auf den Great Walks, müssen immer im Voraus reserviert werden und sind fast durchgängig von einem hut warden betreut. Daneben gibt es die Kategorien serviced (es gibt Matratzen, Toiletten, Wasser und Holz oder Kohle wird in unregelmäßigen Abständen per Helikopter geliefert, im Sommer ist manchmal ein warden da), standard (ebenfalls Matratzen, Toiletten und Wasser; ein Ofen ist vorhanden, aber man muss selbst Holz sammeln) und basic (primär ein Schutz vor dem Wetter ohne sonstigen Luxus). Entsprechend kostet eine Nacht in den Hütten auf den Great Walks in der Hauptsaison bis zu 140 NZ$, die Kategorie serviced bereits nur noch 15 NZ$, standard 5 NZ$ und die basic huts sind umsonst.
Da Winter ist, bezahlten wir pro Nacht im Abel Tasman Nationalpark aktuell nur 32 NZ$. Wir entschlossen uns zu einer kombinierten Tour: Den Hinweg wollten wir zunächst mit Kajak und anschließend wandernd zurücklegen und auf dem Rückweg dann ganz entspannt das Wassertaxi nehmen. Auch wenn der Winter in diesem Teil Neuseelands kein Vergleich mit dem deutschen ist, möchte man bei ca. 14 ° Wassertemperatur unfreiwillige Tauchgänge tunlichst vermeiden. Daher (und weil die Hütten teilweise ausgebucht waren) passten wir eine sonnige und weitestgehend windstille Wettervorhersage ab und fuhren von Nelson zunächst die Küste entlang bis in das letzte Örtchen vor dem Nationalpark, wo wir quasi zur Einstimmung die Nacht im Auto verbrachten.
Am nächsten Morgen ging es zu einem der örtlichen Kajak-Vermieter, wo wir eine schnelle Einführung bekamen und unser Gepäck in dem erstaunlich geräumigen 2-Sitzer-Kajak verstauten. Bei 12 ° Lufttemperatur kostete es etwas Überwindung, das Boot barfuß über den Strand zu tragen und knietief ins Wasser zu waten, aber sobald man drin saß und die Neopren-Schürze festgemacht hatte, wurde es rasch wieder warm.
Nachdem wir noch fünf Minuten unter Beweis gestellt hatten, dass wir grob wussten, was wir mit den Paddel taten, ging es los. Die Jungs hatten uns gesagt, dass man in der Regel ungefähr so schnell ist wie zu Fuß, deswegen hatten wir viel Zeit für die Strecke bis zu unserer ersten gebuchten Hütte.
Entsprechend entspannt paddelten wir im strahlenden Sonnenschein die traumhafte Küste entlang, bevor wir zu zwei kleinen, vorgelagerten Inseln fuhren. Auf einer von denen befindet sich neben einer Unmenge von allen möglichen (und meist etwas pikiert guckenden) Wasservögeln eine Kolonie von Robben, die sich auf den Felsen in der Sonne vom Jagen erholen.
Die empfohlenen 20 m Sicherheitsabstand sind schnell unterschritten, wenn man die schlafenden und sich nur ab und zu räkelnden Tiere beobachtet. Auch wenn die Robben hier, im Gegensatz zu ihren Kollegen auf Galápagos, nicht auf Bürgersteigen schlafen werden sie allen Berichten nach nur aggressiv, wenn man sich Jungen im Beisein der Mutter zu sehr nähert oder, wenn die Tiere sich selbst erschrecken. Die Gefahr besteht im Wasser nicht, denn wie unbeholfen und langsam man als Mensch trotz Kajak ist, wird einem schnell klar, wenn ein paar jüngere Robben ins Wasser hüpfen und neugierig das Boot umrunden und darunter durchtauchen.

Die Mittagspause verbrachten wir an einem Strand auf dem Festland. Für eine Landung fährt man einfach mit Vollgas direkt auf die hier meist flachen Strände, bis man auf Grund läuft und erneut Gelegenheit bekommt, die Wassertemperatur zu überprüfen. Da der Sand nicht nur kalt sondern leider auch feucht war, aßen wir im Stehen, was sich schlimmer anhört als es in der Sonne war.
Gestärkt ging es unter unverändert kritischen Blicken der geflügelten Parkbewohner weiter die Küste entlang bis zur ersten Hütte. Dort gestrandet, trugen wir unser Kajak auf eine Ablage oberhalb des Sands und begaben uns in die recht große Hütte. Man sucht sich nach first-come-first-serve ein Bett in einem der vier Schlafräume aus, in dem man seinen Schlafsack darauf ausbreitet und hat ab dann „frei“. Wir genossen die letzten Sonnenstrahlen am Strand, denn Mitte Juli geht die Sonne hier um ca. viertel nach fünf unter.

Der Gemeinschaftsraum wird mit einem Ofen geheizt, der dank dem netten hut warden auch schon auf Hochtouren lief. Es ist zwar weiterhin kein Vergleich zu einer österreichischen oder gar schweizer Hütte in den Alpen, aber mit Pulli oder Fleece lässt es sich gut aushalten. Draußen ist es tagsüber in der Sonne zwar angenehm, aber sobald die untergegangen ist, werden die Temperaturen einstellig. Der wandernde Kiwi geht früher ins Bett als der gemeine Alpentourist, zumindest war das unser Eindruck an dem Abend, der sich auch an den nächsten nicht änderte: Um halb sieben verschwanden die ersten Richtung Schlafräume, ab neun waren wir und ein paar andere ausländische Touristen die einzigen.
Beleuchtung gab es durch seeehr sparsame LED, die, um den von Solarzellen erzeugten Strom zu sparen, Bewegungsmelder-gesteuert waren. Wir beide waren mit unseren E-Readern fein raus, die anderen mit Büchern mussten regelmäßig herumhüpfen, um die Bewegungsmelder auszulösen.
Wir hatten die Kajaks über die Touristeninformation in Nelson gemietet und obwohl die Dame dort zwar sehr nett und hilfsbereit war, wusste sie entweder nicht, wie schnell man mit einem Kajak ist oder traute uns kein entsprechendes Tempo zu. Dementsprechend war unsere zweite Übernachtung in der nächsten Hütte entlang des Küstenwanderwegs reserviert, in einer Distanz, für die man zu Fuß ca. drei Stunden brauchen sollte. In diesem Wissen starteten wir wieder sehr gemütlich entlang der Küste bis zu einem Campingplatz an einem nur vom Meer erreichbaren Traumstrand. Dort gab es diesmal Mittagessen im Sitzen und anschließend eine ausgedehnte Pause in der Sonne.
Unser Kajak sollte eigentlich mit dem nachmittäglichen Wassertaxi abgeholt werden, das kam jedoch nicht. Also schleppten wir das das gute Stück wieder auf die Ablagen und verzogen uns in die Hütte, die der ersten sehr ähnlich war.
Am nächsten Morgen war ich am Strand spazieren während Helena noch den Langzeit-Komfortverlauf ihres Schlafsacks testete als mir ein Pärchen mit unserem Kajak entgegen geeilt kam. Einigermaßen verwirrt (gibt es ernsthaft Menschen, die eine mehrtägige Wanderung machen und dann versuchen, ein offensichtliches Leih-Kajak zu klauen?) sprach ich die beiden an. Es stellte sich heraus, dass sie mit einem kleinen Motorboot zu der Hütte gekommen waren, dessen Anker sich über Nacht gelöst hatte und das nun noch sichtbar, aber in mehreren Kilometern Entfernung vor der Küste trieb … Die beiden wussten offensichtlich, was sie taten, denn als wir beim Frühstück saßen, tauchten sie erfolgreich wieder in der Hütte auf.
Ab jetzt hieß es für uns laufen. Wir hatten nur noch Proviant für zweieinhalb Tage dabei, daher waren die Rucksäcke nicht wirklich schwer. Eine Umstellung war es aber schon im Vergleich zu dem in den letzten Tagen spiegelglatten Wasser, in dem das Paddeln eher wie auf einem See war.
Bei der ersten Pause machten wir engere Bekanntschaft mit einem unserer Lieblingsvögel in Neuseeland, der Weka. Das sind fluglose Vögel, die gemäß den Schildern im Nationalpark sehr „inquisitive“ sind. Das können wir bestätigen: Um jede Hütte schleichen mehrere in der Hoffnung auf etwas Essbares oder eine versehentlich offen gelassene Tür herum. Wenn man beim Wandern nur kurz anhält, um etwas zu trinken, erscheint wie aus dem Nichts eine Weka aus dem Unterholz, die den Wanderer erst erwartungsvoll anguckt und dann ausgiebig die Rucksäcke inspiziert, wenn man die abgestellt hat.
Der Wanderweg war nicht anspruchsvoll und trotz hoher Erwartungen genauso schön wie angekündigt. Man läuft recht nah an der Küste und es gibt immer wieder Abschnitte, die über den Strand führen. Das ist mit Rucksack und Wanderschuhen anfangs ein komisches Gefühl, lockert den Weg, der sonst primär durch dichten Wald führt, aber angenehm auf.

An der nächsten Hütte hatten wir zum ersten Mal die Gelegenheit, uns eine kalte und dementsprechend kurze Dusche zu gönnen. Es war zwar kein hut warden da, aber eine mit uns parallel wandernde Kiwi-Familie war immer recht früh am Ziel und sorgte auch hier dankenswerter Weise für ein sehr ordentliches Feuer.
Die letzte volle Etappe ging morgens durch ein Gebiet, das man nur bei Ebbe durchqueren kann und auch dabei wird man bis über die Knie nass. Der restliche Tag war leider grau und regnerisch, bis auf eine kurze sonnige Phase an der äußersten Landspitze.
Dort hofft das DOC, Tölpel, die eigentlich auf einem anderen Landzipfel der Küste nisten, von der Gründung einer neuen Kolonie zu überzeugen und hat daher künstliche Vögel und einen Lautsprecher (der entsprechende Töne macht) aufgebaut. Zumindest als wir da waren aber noch ohne Erfolg …
Nach der letzten Nacht ging es einen Teil des Wegs zurück zu einem Campingplatz, an dem uns nachmittags das Wassertaxi abholte. So frustrierend es ist, wenn man die Strecke, für die man selbst mehrere Tage gebraucht hat, in zwei Stunden zurücklegt, so unerwartet schön war doch die Fahrt, denn unser Fahrer machte einige Umwege. So konnten wir nochmal Robben, diverse (wie immer kritisch guckende) Möwen und Kormorane und sogar einen Zwergpinguin sehen.
Am Ziel wird das Wassertaxi mit Passagieren auf einen Anhänger gezogen und der Fahrer steigt in einen Traktor um, der einen dann – weiterhin im Boot – ein paar hundert Meter von der Anlegestelle bis ins Dorf bringt. Nach fünf Nächten im Schlafsack gönnten wir uns ein Hostel mit (heißer) Dusche sowie mal wieder ein richtiges Abendessen im Pub des Nachbarörtchens.