The Catlins

Invercargill war, wie man sich nach dem letzten Beitrag wahrscheinlich denken kann, nicht der einzige Grund für uns, in den Süden zu fahren. Die südöstliche Ecke der Südinsel Neuseelands ist eins der am dünnsten besiedelten Gebiete des ganzen Landes. Laut Lonely Planet ist diese, die Catlins genannte Gegend, „a medley of pretty-as-a-picture landscapes“ und Zeit hatten wir genug …

Die meisten Touristen besuchen die Catlins in einem eintägigen Roadtrip, der für die 170 km sehr kurvenreiche Straße an der Küste entlang ausreicht. Wir hatten keine Lust, jede Nacht woanders zu übernachten und deswegen ein AirBnB ziemlich zentral im Nichts der Catlins für zwei Nächte gebucht.

Ohne Zeitdruck fuhren wir am Vormittag in Invercargill los. Den Großteil der Strecke waren wir umgeben von Schafen auf grünen Weiden und blickten auf eine raue Küste mit türkisem Meer dahinter. Das ist ein wirklich netter Anblick, war aber keine erhebliche Veränderung zu großen Teilen der Süd- und nicht unerheblichen Teilen der Nordinsel …

Unter den Sehenswürdigkeiten des ersten Tages war eine Bucht mit den Überresten eines versteinerten Waldes, was leider beeindruckender klingt als es aussah. Die geologischen Umstände, unter denen Holz versteinert sind ziemlich rar, deswegen ist der Ort trotzdem eins der highlights der Catlins.

Versteinerter Baum in der Curio Bay

Slope Point, der südlichste Punkt des neuseeländischen Festlands, war enttäuschend: Eine Klippe mit einem Schild, auf der man das Gefühl nicht los wurde, dass die westlich und östlich gelegenen Klippen weiter ins Meer ragten, egal, wie man sich drehte.

Unangefochtener Höhepunkt des Tages (und einer der absurdesten Momente der Reise) war etwas, von dem wir nicht wussten, dass es existiert: Wir hatten an einer Weide gehalten, um den neugeborenen Lämmern, die hier im beginnenden Frühling quasi wie Pilze aus der Erde schießen, bei ihren ersten unbeholfenen Gehversuchen zuzuschauen.

Mutterschaf mit neugeborenen Lämmern

Dabei fiel uns ein (ziemlich dickes) Schaf auf, das auf dem Rücken und mit allen Vieren in die Luft gestreckt da lag. Am Anfang amüsierten wir uns über das mutmaßlich sehr gemütliche Tier, aber nach einer Weile und einigem Zappeln des Schafes, das nicht aussah, als würde es sich nur zurechtrücken, wurden wir unsicher. Konnte es wirklich sein, dass das Tier wie ein Käfer da lag und nicht mehr hochkam? Gibt es so etwas in der Natur? Oder waren wir nur schnell besorgte Stadtkinder, die keine Ahnung mehr von Tieren außer Hund und Katze haben?

Tobi auf dem Weg zum Schaf

Die Zeitverschiebung hätte einen Anruf bei Marina und Sebastian für die beiden zu einem fragwürdigen Vergnügen gemacht. Nach einiger Diskussion entschlossen wir uns schließlich, dass wir uns lieber umsonst zum Deppen machen wollten als das arme Schaf in seiner möglicherweise ungewollten Rückenlage liegenzulassen.
Im Gegensatz zu den anderen Schafe in der Nähe, flüchtete es nicht als ich mich über die Weide näherte, was ich als Indiz dafür nahm, dass wir doch richtig gelegen hatten. Als ich nahe an dem Tier war, konnte man sehen, dass es Angst hatte, aber in der Tat nicht von allein hoch kam. Zum Drehen brauchte es nur einen überraschend leichten Anstoß von einer Seite, dann lief das arme Vieh auch schon panisch zu seinen Kollegen, die uns aus sicherer Distanz beobachteten.

Tobi beim sheep flipping

Bei Ankunft an unserem AirBnb am Abend trafen wir die Besitzer, die zufällig Schaffarmer waren – wobei das in der Gegend eigentlich kein großer Zufall ist. Denen erzählten wir von unserer Aktion und bekamen zum Glück die fachliche Absolution, dass wir nicht verrückt seien. Dass Schafe auf den Rücken rollen und sich nicht aus der Position befreien können, kommt laut ihnen zwar nur bei schwangeren und/oder lange ungeschorenen Tieren vor, die entsprechend schwer und unbeweglich sind, aber es ist kein seltenes Phänomen. Sie würden ihre Weiden zweimal täglich abfahren und nach den Tieren sehen, denn die Schafe würden ohne Hilfe sterben, laut den Farmern wahrscheinlich durch Ersticken.

Mit Stand vom Schreiben dieses Eintrags haben wir das Ganze nur noch ein weiteres Mal erlebt, denn mittlerweile sind die meisten Lämmer da und die Muttertiere auch geschoren. Nichtsdestotrotz sind Fahrten an Schafweiden vorbei seitdem deutlich aufregender geworden …

Unser AirBnB war ein süßes altes Haus mitten im Grünen, in dem früher der Bürgermeister gewohnt hatte. Es war zwar nur einfach verglast, aber eine Kombination aus Heißluft-Püsterich, elektrischen Standheizungen, Heizdecken auf den Betten und einem Holzofen sorgte für ausreichend Wärme und gab mir Gelegenheit, mich beim Holzhacken auszutoben. Vor dem Haus mit Blick über die grünen Hügel gab es eine perfekt für den Sonnenuntergang platzierte Bank, die von Vormietern schon als Gin-Bank angepriesen wurde. Wir hatten nur Wein dabei, aber auch der ließ sich dort gut genießen.

Helena auf der Gin-Bank

Deutlich weniger aufregend war der Rest der Catlins, in denen wir am zweiten Tag einen Wasserfall und einen Leuchtturm besuchten. Es fällt mir mittlerweile schwer zu sagen, ob ein Wasserfall nicht beeindruckend ist, oder, ob das nur die Folge unserer ausgeprägten Gleichgültigkeit gegenüber Wasserfällen ist. Letztere ist entweder angeboren oder aber durch das Lesen zahlloser Beschreibungen in Blogs, Reiseführern und Broschüren entstanden, welche ausnahmslos versuchen, den oder die örtlichen Wasserfälle zur Weltsensation zu erklären.

Auf dem Rückweg zu unserem AirBnB machten wir noch an einem Strand Halt, an welchem manchmal Seelöwen zu sehen sein sollten. Ich hätte nie gedacht, dass wir auf dieser Reise so viel über Tiere lernen, aber selbst wenn man nur einen Reiseblog für Freunde und Familie schreibt, recherchiert man ständig Begriffe und Ereignisse, wobei einem dann bewusst wird, wie wenig man weiß. Die Bezeichnung Seelöwe hatte ich bisher synonym mit Robbe und Seehund benutzt, es sind aber die größeren – und aggressiveren – Cousins der Seehunde, und alle gehören zur Gruppe der Robben. Unsere bisherigen Sichtungen in Neuseeland waren genaugenommen Seebären, aber das klingt so komisch, dass ich sie einfach Robben nenne.

Zurück zum Thema, wir liefen durch ein kleines Wäldchen zu dem Strand und stolperten, noch mehrere 100 Meter von der Küste entfernt, fast über ein Muttertier mit Jungem, die bisher neben dem Pfad geschlafen hatten und uns nun anstarrten. Wir zogen mit großem Respektsabstand an ihnen vorbei, um dann festzustellen, dass es keinen Weg durch den Wald zum Strand gab. Auf dem Rückweg trafen wir zwei französische Touristinnen, die die Seelöwen im Wald nicht gesehen hatten. Beide waren aber noch an Ort und Stelle, diesmal allerdings deutlich wacher. Nach ein paar Fotos hatte die Mutter dann anscheinend genug von uns und wir durften uns davon überzeugen, dass die Tiere auch auf Land sehr beweglich sind …