Torres del Paine

Chile hat seltsam strenge Einfuhrbestimmungen bezüglich Lebensmitteln und Pflanzen, weswegen bei einer Grenzüberquerung mit dem Bus alle Passagiere aussteigen und ihr Handgepäck durch ein Röntgen-Gerät wie am Flughafen schieben müssen. Das große Gepäck wird so aus dem Laderaum des Busses geräumt, dass ein Spürhund des Landwirtschaftsministeriums bequem auf alle Koffer und Taschen klettern kann. Verboten sind neben frischen Pflanzen, Obst und Gemüse auch Milch- und Fleischprodukte – den letzten Teil hatten wir allerdings übersehen. Immerhin wussten wir, dass man, so lange man auf dem speziellen Formular nicht angibt, dass man nichts einführt, kein Problem bekommt, wenn man etwas von der verbotenen Liste dabei hat. Wir Füchse hatten also unser Essen deswegen vorher schon separat in Beutel gepackt, damit wir im Fall des Falles nicht alles auspacken müssen. Das stellte sich als gute Idee heraus, auch wenn wir unseren Käse, warum auch immer, behalten durften. Lediglich unsere Snack-Salami-Würste bekamen keinen Segen zur Einfuhr, die netten Beamten ließen sie uns aber vor Ort essen. Zeit hat man genug, da alle Passagiere neben dieser Kontrolle noch die übliche Passkontrolle durchlaufen und eine Grenzüberquerung von Argentinien nach Chile damit noch länger dauert als umgekehrt.

Mittags am 13.12. waren wir zurück in Puerto Natales, einem kleinen Städtchen auf der chilenischen Seite, von dem unsere Busfahrt nach Argentinien gestartet war. Der Ort hat eigentlich nur als Ausgangspunkt für den Besuch des Torres del Paine Nationalparks eine Daseinsberechtigung, es gibt trotzdem noch genügend Chilenen, die dort leben, so dass es sich nicht wie ein Themenpark anfühlt.

Erste Amtshandlung war das Aufsuchen von verschiedenen Verleihern von Camping-Bedarf, denn wir brauchten wieder Zelt, Isomatten, Schlafsäcke und Kocher. Die Auswahl ist trotz der Scharen von Touristen, die jedes Jahr im Torres del Paine aufschlagen (ca. 250.000), recht überschaubar. Nachdem uns der freundliche Typ im ersten Laden anvertraute, dass er selbst bei seiner Firma keine Zelte leihen würde („these tents have seen some serious shit“), und die meisten anderen Verleiher nur Isomatten mit der vertrauenserweckenden Dicke von einer Postkarte im Angebot hatten, landeten wir schließlich bei Rental Natales. Dort begrüßte uns der gute Guillermo, bevor wir einen Ton sagen konnten, mit „Alemanes?“ – so viel zu der Annahme, wir entsprächen nicht irgendwelchen Klischees. Wir bekamen alles, was wir brauchten, inklusive vernünftigen Isomatten und Schlafsäcken mit Komfortzone bis 0 °C – die noch wärmeren werden laut ihm nur von Israelis ausgeliehen – und darüber hinaus noch eine kleine deutsche Markenkunde: Lowa kommt von Lorenz Wagner, dessen Bruder Hans Wagner wiederum der Gründer von Hanwag ist. Guillermo ist nämlich großer Fan und vom Eindruck her auch Kenner deutscher Outdoor-Marken. Man lernt nie aus, selbst am Ende der Welt.

Nach langem Wiegen, Diskutieren, Mahlzeiten-Beutel zusammenstellen und schließlich Packen und Umverteilen (Ergebnis: 14 kg pro Rucksack) ging es am nächsten Morgen nach einer kurzen Nacht um kurz nach sechs zum Bushof. Weil hier Sommer ist und Puerto Natales sehr weit südlich liegt, ist es aber schon um ca. halb sechs taghell.

Torres del Paine ist ein Nationalpark etwa in der Größe von Luxemburg mit einer riesigen Auswahl an Wanderwegen. Die bekanntesten Touren sind die, aufgrund ihrer Form W- und O-Trek genannten, Wanderungen, die man in +/- fünf, beziehungsweise acht Tagen absolvieren kann. Übernachten ist nur auf zum Großteil privaten Campingplätzen, auf denen man die Wahl zwischen eigenen Zelten und bereits aufgebauten hat sowie den angrenzenden refugios (mehr oder weniger komfortable Hütten) gestattet. Den Unterschied macht neben dem Komfort vor allem der Preis – in der Hauptsaison kostet ein Bett im Schlafsaal der refugios ca. 100 $. Hinzu kommt, dass in der Hauptsaison alle Übernachtungsmöglichkeiten viele Monate im Voraus ausgebucht sind, was unserer Selbstorganisation nicht gerade entgegenkommt, um es mal vorsichtig zu formulieren. Nach langem puzzlen hatte Helena in Peru zum Glück noch eine Kombination gefunden, die uns den W-Trek ohne Gewaltmärsche zwischendurch ermöglichte.

Karte Torres del Paine

Tag 1

Zurück zu uns, nach Bezahlen des Eintritts von 21.000 Pesos (ca. 24 €) am Parkeingang geht‘s mit dem Bus weiter zu einer Fähre, die einen an den westlichen Startpunkt des W-Treks bringt. Bereits auf diesem Teil kann man den Mund kaum zulassen, so schön ist die Landschaft. Pünktlich zur Ankunft der Fähre am Anleger fing es leicht an zu nieseln, in Kombination mit den patagonischen Winden bescherte uns das waagrechte Regenschauer. Egal – Motivation (und Aufregung) waren groß und wir machten uns an die erste Etappe. Das Wetter wurde im Verlauf auch wieder besser, so dass wir die Gegend angemessen weiter bestaunen und am Nachmittag sogar noch in der Sonne dösen konnten.

gelaufene Kilometer: 11 – gegessene Snickers: 1 – Abendessen: Kartoffelpüree aus der Tüte mit Mais und Erbsen

Tag 2

Damit war der gemütliche Teil dann leider auch vorbei, wie Bernd sagen würde. Am nächsten Morgen wurden wir bei strömendem Regen wach, der so lange anhielt, dass wir uns einen Alibi-Cappuccino im refugio gönnen mussten, um im Trockenen auf Besserung hoffen zu können. Man passt seine Erwartungen recht schnell an, wenn es sein muss, also packten wir das Zelt ein als es zumindest etwas weniger regnete und machten uns an die meist regnerische Tagesetappe. Der Unmut darüber wurde abends allerdings erfolgreich mit Pisco Sour und Bier bekämpft.

gelaufene Kilometer: 11 – gegessene Snickers: 2 – Abendessen: Couscous mit Zucchini und Ketchup

Tag 3

Am nächsten Morgen ging es zum ersten Mal mit wirklich gutem Wetter los. Das hielt sich zum Glück den ganzen Tag, so dass unser Aufstieg zum Mirador Britannico mit wunderbarer Aussicht sowie einem erneuten Nickerchen in der Sonne belohnt wurde. Die Nacht verbrachten wir als einzige in gemieteten Zelten, da keine Stellplätze für mitgebrachte Zelte mehr zu kriegen waren. Dieser Umstand erwies sich als Glück im Unglück, denn …

gelaufene Kilometer: 20,3 – gegessene Snickers: 3 – Abendessen: Couscous mit Zucchini und Ketchup

Tag 4

… der vierte Tag startete leider wie der zweite, nur ohne, dass der Regen zwischendurch aufhörte. Man schafft das Tagespensum erstaunlich schnell, wenn man mangels Unterstand keine nennenswerten Pausen auf dem Weg macht … Zum Trocknen und Aufwärmen ging es am Ziel der Etappe, unserem letzten Campingplatz, zügig wieder Richtung Bar des refugios, wo wir nach langem Brüten über der Wettervorhersage (spoiler alert: sie war nicht gut) entschieden, den Aufstieg zu den namengebenden Torres del Paine um kurz nach vier Uhr am nächsten Morgen zu beginnen. Wer jetzt denkt, wir wären verrückt, hat sicherlich nicht ganz unrecht, aber laut den offiziellen Angaben braucht man 4,5 Stunden für den Aufstieg und der letzte Bus aus dem Park heraus mittags fährt gegen halb zwei am Campingplatz.

gelaufene Kilometer: 14,6 – gegessene Snickers: 2 – Abendessen: Nudeln mit Käsesoße aus der Tüte

Tag 5

Leider war die in der Vorhersage angekündigte Regenabschwächung von uns so nicht nachzuvollziehen – siehe Fotos. Wir brauchten zwar nur etwas mehr als drei Stunden für den Aufstieg, aber selbst die besten Outdoor-Klamotten geben ab einer gewissen Regendauer und -intensität auf. Immerhin waren wir nicht, wie manche andere, für den Sonnenaufgang bei den Torres aufgebrochen, da läuft man um ein Uhr nachts los … Mit dem Bus ging es zurück nach Puerto Natales zu einer der gefühlt besten Duschen unseren Lebens und einem Abendessen, dass deutlich abwechslungsreicher war als Couscous mit Zucchini (die wir trotz Guillermos Gemüseverbot mitgenommen hatten: „what you need are carbohydrates, you will survive five days without vitamines“).

gelaufene Kilometer: 18,8 – gegessene Snickers: 3 – Abendessen: im Restaurant

Fazit?

Torres del Paine ist nicht ohne Grund einer der meistbesuchtesten Nationalparks Chiles (und vielleicht der Welt). Trotz des schlechten Wetters war die Landschaft unglaublich beeindruckend, die Seen genauso türkis wie auf den Bildern und die Ausblicke so malerisch wie erwartet. Es war beginnende Hauptsaison, dementsprechend voll waren die Wanderwege. Dadurch muss man zwar häufig Platz machen, man trifft aber auch wirklich witzige Menschen, wie zum Beispiel eine Gruppe junger Israelis, die zu viert in einem Dreierzelt geschlafen haben und abends ungelogen zwei Stunden lang gekocht haben, bevor ihr Dinner fertig war. Die Tagesetappen im Park sind relativ einfach zu bewältigen, nennenswerte Steigungen gibt es nur in Abschnitten, auf denen man seinen Rucksack im Zelt lassen kann.

Auf der negativen Seite sind die Halsabschneider privaten Betreiber der Campingplätze, die zumindest mal fragwürdigen Geschäftspraktiken nicht abgeneigt sind: Zu dritt muss man einen „Stellplatz“ für ein Zweipersonenzelt und einen zusätzlichen für ein Einpersonenzelt mieten, auch wenn man, wie wir, ein Dreipersonenzelt hat. Ein Teil der Campingplätze (mit einer Kapazität für weit über 100 Menschen) hat trotz ihrer stolzen Preise nur überdachte Bereiche zum Essen für ca. zehn Personen – im Flur eines neugebauten Toiletten-Gebäudes kocht es sich gemütlicher als man denkt.

Alles in allem bleibt der Park aber ein Muss, wenn es einen nach Patagonien verschlägt. Die negativen Seiten sind schnell vergessen, wenn man die unglaublich schöne Landschaft – sogar im Regen – sieht.

3 Kommentare zu „Torres del Paine

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