Durch die Wüste

Der Flughafen in Calama ist eher eine große Turnhalle, so waren wir schnell bei den Mietwagen-Anbietern. Wir hatten uns im Vorhinein, wie immer nach etwas längerem Hin und Her, für einen Kleinwagen und gegen etwas mit höherem Radstand oder Allrad entschieden. Generell hatten wir mittlerweile die Faustregel, dass, wenn es mindestens einen Bericht von jemandem gibt, der irgendwo mit einem normalen Auto herumgefahren ist, man sämtliche gegenteilige Berichte getrost ignorieren kann. Egal, wie viele das sind und egal, wie überzeugt die Leute erklären, warum man unbedingt Allradantrieb, mindestens 200 PS, eine Schaufel, zwei Ersatzreifen und eigentlich am besten einen privaten Rettungshubschrauber auf Abruf via Satellitentelefon braucht. Das mag arrogant klingen, aber es ist keine Raketenphysik, auf einer unbefestigten Straße zu fahren und da man in der Regel an touristische Ziele fährt, ist nicht davon auszugehen, dass man im Falle einer Panne in seinem Auto verdurstet oder erfriert. Mir ist bewusst, dass jeder ein anderes Sicherheitsbedürfnis hat, aber wenn man nur herausfinden will, ob man für eine Tour zwangsläufig ein Fahrzeug mit Allradantrieb braucht, ist einem wenig geholfen, wenn Berichte oder Blogeinträge mit absoluter Endgültigkeit verkünden, dass eine Fahrt ohne unmöglich sei und man dann im Verlauf liest, dass die Menschen noch nicht mal selbst gefahren sind.

Genug von meiner Misanthropie, wir fuhren nach einem kurzen Mittagessen im bemerkenswert hässlichen Calama nach San Pedro de Atacama. Das Örtchen liegt zentral in der Atacama-Wüste und dient als Ausgangspunkt für sämtliche Touren. Die Wüste selbst ist die trockenste der Welt (0,5 mm jährlicher Niederschlag, die Sahara hat 45 mm), sieht aber nicht aus, wie man sich eine Wüste so vorstellt. Es gibt keine Sanddünen, sondern viel Geröll, Schutt, Salz inklusive Salzwasser-Lagunen und vor allem deutlich mehr (kleine) Vegetation als erwartet.

Hauptstraße in San Pedro

Wir kamen am Nachmittag in San Pedro an und entspannten erstmal eine Weile, denn außerhalb des klimatisierten Autos war es ziemlich heiß. Unseren geplanten Sonnenuntergang im Valle de la Luna mussten wir verschieben, denn das privatisierte Tal lässt nur bis 16 Uhr einzelne Touristen hinein. Wenn man als Gruppe in einem Bus kommt, ist es kein Problem – dem Ersteindruck nach also schon mal sehr sympathisch. Von der anderen Seite kommt man zwar zu Fuß in das Tal, der Wind inklusive Sand war aber so stark, dass wir den Rückzug antraten. Unser nächstes Alternativziel, ein seitlich des Tals gelegener Aussichtspunkt, ist wie das Tal privatisiert und durfte ebenfalls nicht mehr betreten werden …

Im Nachhinein vielleicht sogar besser, denn von unserem – nicht privaten – Hügel hatten wir sowohl einen guten Blick auf den Sonnenuntergang als auch auf die Haufen von Menschen, die sich an dem Aussichtspunkt drängelten.

Sonnenuntergang über dem Valle de la Luna

Der nächste Tag war den höheren Lagen gewidmet: Mit dem Auto fuhren wir eine gute Stunde durch die überraschend schöne Landschaft zunächst zu den auf 4000 m gelegenen Lagunas altiplánicas. Das sind zwei nahe beieinander liegende Seen, inklusive Bergpanorama und Alpakas.

Weiter die Straße entlang kommt man an die Piedras Rojas (rote Steine) genannte Felsformation um eine Salzlagune. Auf den Fotos kann man es erahnen, die Landschaft wirkt als wäre man auf einem anderen Planeten, die Farben sind so ungewohnt, dass man anfangs fast irritiert ist. Um die Lagune zu erhalten, sind die Wege hinunter und herum mittlerweile gesperrt und der Besuch nur an vorgegebenen Aussichtspunkten möglich.

Das letzte Ziel war die einzeln liegende Laguna Tuyaito, die eine Viertelstunde hinter den Piedras liegt. Wir gönnten uns ein entspanntes Picknick und waren wieder einmal froh, selbstständig unterwegs zu sein, denn während unseres Stops kamen und verschwanden fünf Sprinter voller Touristen.

Laguna Tuyaito

Den Nachmittag verbrachten wir entspannt in La Franchuteria, einer von Franzosen geführten Bäckerei in San Pedro mit dem unumstritten besten Baguette in der Gegend. Dem Besuch sollten noch mehrere folgen, denn die pains au chocolats waren ebenfalls großes Kino.

Der nächste Tag begann unangenehm früh, nämlich um 4:15 Uhr. Nördlich von San Pedro liegen auf 4300 m Höhe die Geysers Del Tatio, natürliche Geysire, die aufgrund des hohen Temperaturunterschieds zwischen dem Wasser unter der Oberfläche und der unter 0° kalten Luft nachts am aktivsten sind. Da man nachts nicht viel sieht, gehen die meisten Touren am frühen Morgen dahin, damit man die Geysire zum Sonnenaufgang erleben kann. Die Straße ist nicht asphaltiert und hat ein paar Schlaglöcher, aber nichts im Vergleich zu manchen Wegen in Patagonien. Herausfordernd ist eher, dass es in der Gegend wirklich pechschwarz ist, wenn der Mond nicht scheint oder es bewölkt ist. (Aus diesem Grund stehen in der Wüste auch mehrere große Teleskope, unter anderem das ALMA. Das weltgrößte Extremely Large Telescope der ESO befindet sich aktuell noch im Bau.)

Wir kamen ein Stück vor Sonnenaufgang an und waren froh, dass wir alles an Klamotten dabei hatten, denn es war wirklich uuhuerekalt, wie die Schweizer sagen würden. Die Geysire waren vor Sonnenaufgang zwar am schlechtesten sichtbar, aber definitiv am beeindruckendsten. Hinzu kam, dass zu dem Zeitpunkt noch deutlich weniger Touristen da waren. Sobald die Temperatur stieg, fielen anfangs meterhohe Geysire in sich zusammen und blubberten nur noch recht unspektakulär aus dem Boden.

Wir machten uns auf den Rückweg, während noch die letzten Busladungen voller Menschen ankamen. Für ein Bad in einigen der heißen Quellen fehlte uns die Motivation, dafür konnte zumindest einer von uns – der andere musste Schlaf nachholen – die auf dem Hinweg in der Dunkelheit nicht sichtbare Landschaft auf der Rückfahrt genießen.

Das Bild ist mit einem Polfilter aufgenommen, aber nicht nachbearbeitet – die Farben sind wirklich so verrückt.

Weiter ging es über eine 40 km lange dirt road mit unangenehm viel waschbrettartiger Oberfläche zu den Lagunas Escondidas de Baltinache, die in surreal salz-weißer Umgebung liegen. Im Sonnenschein war die Helligkeit trotz Sonnenbrille unangenehm, was möglicherweise aber auch an den bei Straßenhändlern erstandenen Premiummodellen liegen könnte … In zwei der Lagunen konnten wir das am Morgen verschmähte Bad nachholen. Durch den enorm hohen Salzgehalt hat man einen Effekt wie im Toten Meer beim Schwimmen und nachher eine Salzkruste auf dem ganzen Körper.

Auf dem Rückweg zum Auto stellten wir fest, dass unser vorderes Nummernschild fehlte. Zurück ging es also nochmal langsamer als ohnehin wegen der Straßenbeschaffenheit. Glücklicherweise hatten wir das Nummernschild auf dieser Straße und nicht auf der 80 km langen Strecke zu den Geysiren verloren. Beim anschließenden Versuch des Mechanikers in San Pedro, das Schild wieder zu befestigen, fiel uns an den ausgeleierten Löchern der Halterung auf, dass wir wohl nicht die ersten mit dem Problem gewesen waren. Das Schild wurde schließlich mit dem Akkuschrauber in die Frontschürze (wenn das so heißt) aus Kunststoff geschraubt und überstand alle weiteren Fahrten sowie die Inspektion nach Rückgabe …

Tobi mit Nummernschild

Nachdem wir am späten Nachmittag erneut zu spät für eine Einfahrt in das Valle de la Luna waren, verschoben wir das auf den letzten Tag. Die Landschaft ist beeindruckend, aber vielleicht war unsere Erwartung wegen des wiederholten Scheiterns bei der Anreise zu hoch, richtig begeistert waren wir jedenfalls nicht.

Am Nachmittag ging es zurück nach Calama, den Mietwagen abgeben und Proviant schmieren für die zwölfstündige Busfahrt ins argentinische Salta am nächsten Tag.

5 Kommentare zu „Durch die Wüste

  1. Sehr surreale Farben aber trotzdem echt schön auf seine Weise. Vor allem die Salzwüsten fand ich auf den schönen Bildern sehr beeindruckend 😉

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